CHIP VS. CHEMIE
Die DZ BANK Kunstsammlung zeigt Fotokunst der digitalen Gegenwart
Schon immer wurde die Kunstproduktion durch neue Technologien beeinflusst. Gerade in der Fotokunst bedeutet die Wende von der analogen zur digitalen Technik ein Paradigmenwechsel. Unter dem Titel „Chip vs. Chemie“ zeigt die DZ BANK Kunstsammlung im ART FOYER vom 9. September bis 3. Dezember 2016 rund 60 Arbeiten von zwölf internationalen Künstlern, die sowohl formale wie inhaltliche Aspekte der Digitalisierung aufnehmen.
Vertreten sind Arbeiten aus der Sammlung von Viktoria Binschtok, Rudolf Bonvie, Mike Bouchet, Andreas Gursky, Lynn Hershman Leeson, Astrid Klein, Thomas Ruff, Adrian Sauer sowie Neuerwerbungen von Johannes Franzen, Beate Gütschow, Sven Johne und Joscha Steffens.
Die Schau verfolgt vorwiegend drei Stränge: Sie reichen von den Ängsten des Menschen vor einer Entfremdung über die Verfügbarkeit von Bildern im Netz bis hin zu bilderzeugenden Computerprogrammen, die unsere ästhetische Wahrnehmung vermutlich verändern werden.
Viktoria Binschtok (*1972, Moskau) geht in ihren Arbeiten den Verwandtschaften zwischen fotografischen Bildern nach. Die in Berlin lebende Künstlerin „flanierte“ für die Diptychen ihrer Serie World of Details mit dem Programm Google Street View virtuell durch New York und wählte einzelne Bilder aus. Anschließend flog sie selbst nach New York, um diese Orte aufzusuchen und an gleicher Stelle den Istzustand zu fotografieren. Diese analogen Farbaufnahmen setzt sie den schwarzweißen digitalen Computerbildern von Google Street View gegenüber.
Für ihre Serie Cluster gibt sie im Internet über Bildsuchmaschinen eigenes fotografisches Bildmaterial ein und lässt sich optisch ähnliche Bilder anzeigen. Diese Suchergebnisse werden von der Künstlerin reproduziert, kombiniert und in Tableaus zusammengestellt.
Die großformatige schwarz-weiße Fotomontage von Rudolf Bonvie (*1947, Hoffnungsthal/Bergisches Land) wirkt wie eine in zwei Hälften geteilte surreale Traumsequenz. Einer Person, die an einem Großrechner arbeitet, steht ein sich hinter Gittern befindlicher heiliger Christophorus gegenüber. Die Arbeit Eniac I von 1985 bezieht sich auf einen der ersten elektronischen Universalrechner, die vor rund 70 Jahren im Auftrag der US-Armee entwickelt wurden. Sie thematisiert die Entmenschlichung des Individuums im sich rasant wandelnden Verhältnis von Mensch und Maschine.
Aus 10.000 pornografischen Videoclips fügt Mike Bouchet (*1970, Castro Valle, Kalifornien, USA) einen zehnminütigen kleinteiligen Mosaikteppich pulsierender Körper zusammen, aus dem in der Ausstellung eine Momentaufnahme zu sehen ist. Der Künstler verdichtet so das gesellschaftliche Phänomen, dass insgesamt 35 Prozent der internationalen Datenverbindungen im Internet pornografischen Ursprungs sind.
Der in Frankfurt lebende Städel-Absolvent Johannes Franzen (*1967, Alf/Mosel) zeigt die selbst programmierte Animation 1024 x 768. Aus einer Anzahl von jeweils 16.777.216 Farben, die auf einem Monitor nebeneinander zu sehen sind, errechnet ein Computer sekündlich eine neue Farbkombination. Die Anzahl der möglichen Kombinationen hat Franzen in mehreren übereinander stehenden Kolonnen in einem 256 Seiten dicken Buch publiziert.
Die Szenerie der schwarz-weißen, großformatigen Architekturansichten von Beate Gütschow (*1970 Mainz) wirkt künstlich, utopisch und wie ein Vexierbild, das den Betrachter zwischen vermeintlichem Erkennen und radikaler Infragestellung schwanken lässt. Ihren Werken liegen oft zwischen 50 und 100 analoge Fotografien zugrunde, welche die Künstlerin selbst an verschiedensten Orten der Welt aufgenommen hat. Am Computer fügt sie diese präzise zu einer nahtlosen Architekturlandschaft zusammen, die sie anschließend als herkömmliche Fotografie ausbelichtet.
Andreas Gursky (*1955, Leipzig) gibt mit seiner Kamera das geschäftige Treiben der Singapurer Börse aus einer erhöhten Perspektive in voller Schärfe und enormem Detailreichtum wieder. In seinen Großformaten thematisiert der Künstler die Anonymität der modernen Existenz und die Austauschbarkeit von Orten in einer globalisierten Massengesellschaft.
Die Foto-Text-Arbeit von Sven Johne (*1976, Bergen auf Rügen) zeigt in goldenen Rahmen aus dem Internet heruntergeladene Porträtfotos mehr oder weniger bekannter Persönlichkeiten. Sie sind mit Texttafeln kombiniert, die der Künstler zusammen mit einem Freund formuliert hat. Sie beschreiben die teils überspitzte, an die Grenzen der Fiktion reichende Minibiografien. Eine große Rolle kommt in dieser Charaktergalerie jenem Personenkreis zu, der entweder ein Leben vollständig im Einklang mit dem World Wide Web führt oder sich radikal abzugrenzen versucht.
Rationalisierung, die Rasanz der Rechenvorgänge, Datenschutzprobleme – das waren bereits 1983, als Astrid Klein (*1951, Köln) die Arbeit Gedankenchips schuf, Themen, welche die Gesellschaft umtrieben. Auf der großformatigen Schwarz-Weiß-Aufnahme einer Computerplatine scheint eine weiße Figur vor den sich auf dem Bildgrund ausbreitenden Zahlenkolonnen zu flüchten.
Für die Werkgruppe Substrat von Thomas Ruff (*1958, Zell am Harmersbach) kam weder eine Fotokamera zum Einsatz noch wurden die Fotografien in der Dunkelkammer entwickelt. Vorlage sind aus dem Internet bezogene japanische Mangas, die der Künstler in mehreren Schichten digital bearbeitet, bis sich der Bildgegenstand in einem abstrakten Farbnebel auflöst. Die großformatigen Ergebnisse werden dann mittels eines mechanischen Druckers auf Fotopapier gebracht.
Joscha Steffens (*1981, Waiblingen) setzt sich in seiner dreiteiligen Installation mit der Welt der Computerspiele auseinander. Ihr Titel bezieht sich auf die Kinder- und Jugendpsychiatrie Teen Spirit Island, in der computersüchtige Jugendliche therapiert werden. Wandfüllend sind Avatare zu sehen, in die sich die jungen Gamer während des Spiels verwandeln. Zehn der Spieler, die Steffens über einen längeren Zeitraum zu Wettbewerben auf der ganzen Welt begleitet hat, stehen einer Videoarbeit gegenüber, auf der sich die Hände der jungen Spieler wie von Zauberhand auf individuell für sie angefertigten Computermäusen über die Tischplatte zu bewegen scheinen.
CHIP VS. CHEMIE
9. September bis 3. Dezember 2016
ART FOYER der DZ BANK
Pressevorbesichtigung: am Mittwoch, 7. September um 11 Uhr mit Dr. Christina Leber, Leiterin der DZ BANK Kunstsammlung
Eröffnung: Donnerstag, 8. September 2016 um 19 Uhr
Begrüßung: Stefan Zeidler, Mitglied des Vorstands der DZ BANK AG
Einführung: Dr. Jan G. Grünwald, Medienwissenschaftler, Frankfurt
Ansprechpartner:
DZ BANK Presseteam
(Frau) Uli Kuhn
Tel: 0178 / 322 01 82
E-Mail: uli.kuhn@ukuhn-consulting.de
Tel: 069 / 7447-6561
E-Mail: presse@dzbank.de
DZ BANK Kunstsammlung
Im ART FOYER zeigt die DZ BANK Kunstsammlung in Frankfurt am Main auf rund 300 qm Ausstellungsfläche vier wechselnde Ausstellungen im Jahr. Die Sammlung des Spitzeninstituts der Volksbanken Raiffeisenbanken umfasst mehr als 7500 Werke von rund 800 Künstlern und widmet sich dem fotografischen Bild in der internationalen, zeitgenössischen Kunst.
Weitere Informationen unter www.dzbank-kunstsammlung.de
DZ BANK Kunstsammlung - ART FOYER
Platz der Republik, 60325 Frankfurt/Main
Öffentlicher Zugang: Friedrich-Ebert-Anlage / Cityhaus I
Öffentliches Parkhaus „Westend“
Öffnungszeiten:
Di. – Sa. 11 bis 19 Uhr
Öffentliche Führungen:
Jeden letzten Freitag im Monat um 17.30 Uhr. Um Voranmeldung wird gebeten.
Telefon: +49 69 7447-99144 oder E-Mail: kunst@dzbank.de
Astrid Klein, Gedankenchips, 1983