Klimawandel lässt Mittelstand kalt
Umfrage zeigt: 66 Prozent der mittelständischen Unternehmen sind bereits vom Klimawandel betroffen, doch nur wenige reagieren mit Gegenmaßnahmen. Dass eine CO2-Abgabe gut für den Klimaschutz sei, bezweifeln zwei Drittel der Mittelständler.
Die Klimabewegung hat das öffentliche Bewusstsein für den Klimawandel geschärft und eine neue gesellschaftspolitische Debatte angestoßen. Bislang führt die aktuelle Diskussion jedoch nur bei jedem zehnten Mittelständler zum Umdenken, obwohl zwei Drittel der mittelständischen Unternehmen in Deutschland vom Klimawandel betroffen sind. Konkrete Gegenmaßnahmen gibt es bislang nur von weniger als einem Viertel der betroffenen Unternehmen. Zudem hemmen Bürokratie und Fachkräftemangel vielerorts die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen.
Rund 66 Prozent der mittelständischen Unternehmen in Deutschland spüren die Auswirkungen des Klimawandels schon heute unmittelbar. Drei von zehn Mittelständlern müssen sogar ihre Produkte und Geschäftsstrategien anpassen, um ihr Unternehmen auf den Klimawandel vorzubereiten. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage von Kantar Media im Auftrag der DZ BANK. Demnach verzeichnet rund ein Viertel einen höheren Energiebedarf, zum Beispiel für die vermehrte Bewässerung auf dem Land oder für die Kühlung von Anlagen in Hitzeperioden. Auch neue regulatorische Anforderungen der Energie- und Klimapolitik und daraus folgend mehr Bürokratie machen rund einem Drittel der mittelständischen Unternehmen zu schaffen.
Uwe Berghaus, Firmenkundenvorstand der DZ BANK: „Der deutsche Mittelstand ist dem Klimawandel breitflächig ausgesetzt. Dass bislang nur etwas mehr als jeder fünfte mit Maßnahmen reagiert hat, zeigt, dass der Handlungsdruck noch nicht groß genug ist. So sind die Auswirkungen für eine Mehrzahl der Unternehmen nur leicht spürbar, was sich jedoch zukünftig deutlich verschärfen dürfte.“ Denn 70 Prozent der Unternehmen spüren die Auswirkungen des Klimawandels bislang nur in geringem Maße. Viele erwarten jedoch eine stärkere Betroffenheit in den kommenden Jahren: So geht jedes dritte Unternehmen von einer höheren Kostenbelastung für die Zukunft aus.
Daher überrascht es nicht, dass rund 60 Prozent der befragten Unternehmen die Sicherung der eigenen Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit als Haupttreiber für Klimaschutzmaßnahmen sehen. Jeweils knapp ein Drittel der Mittelständler gibt neue regulatorische Vorgaben und öffentlichen Druck als Motivation an, sich für den Klimaschutz zu engagieren.
Betroffene Mittelständler reagieren zurückhaltend
Der Klimawandel versetzt die Unternehmen noch nicht in Alarmbereitschaft. So haben nur 22 Prozent der Unternehmen, die vom Klimawandel betroffen sind oder zukünftige Auswirkungen erwarten, bereits konkrete Maßnahmen umgesetzt. Jeder zehnte plant die Umsetzung von Maßnahmen für die Zukunft. Rund die Hälfte dieser umgesetzten und geplanten Maßnahmen trägt zur Reduktion von Treibhausgasen bei. Fast jeder zweite betroffene Mittelständler gab an, die aktuelle Situation derzeit lediglich zu analysieren und nötige Maßnahmen abzuwägen. Immerhin 14 Prozent sind bereits komplett klimaneutral aufgestellt.
Norddeutschland besonders aktiv
Am intensivsten bereitet sich der Handel auf die Auswirkungen des Klimawandels vor. Hier gaben 43 Prozent der betroffenen Unternehmen an, bereits konkrete Maßnahmen umzusetzen. Im Baugewerbe hingegen sind es nur 23 Prozent. Auch regional sind die Unterschiede deutlich: Während in Norddeutschland fast jedes zweite Unternehmen vorbaut, ist der Anteil der Unternehmen, die Maßnahmen planen oder umsetzen in Ostdeutschland mit 25 Prozent am geringsten.
Bürokratie und Fachkräftemangel hemmen Umsetzung
„Es gibt unterschiedliche Gründe für die Zurückhaltung der Unternehmen“, weiß Uwe Berghaus. „Einerseits sehen viele Unternehmen noch keine Notwendigkeit für Investitionen in teure Klimaprogramme - insbesondere in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und teils deutlicher Auftragsrückgänge. Auf der anderen Seite hemmt die Bürokratie vielerorts die Umsetzung von Maßnahmen oder den Unternehmen fehlen die nötigen Fachkräfte.“ So gab fast die Hälfte der vom Klimawandel betroffenen Unternehmen an, dass gesetzliche Vorschriften und Bürokratie ihr Engagement gegen den Klimawandel behindern. 37 Prozent sehen sich aufgrund des Fachkräftemangels nicht in der Lage, nötige Maßnahmen umzusetzen. Ebenso polarisiert die Einführung einer CO2-Abgabe: 35 Prozent halten sie für eine sinnvolle Maßnahme, wohingegen 62 Prozent bezweifeln, dass eine CO2-Abgabe gut für den Klimaschutz ist.
Klimadebatte zeigt kaum Wirkung bei Mittelständlern
Auch die gesellschaftspolitische Diskussion zum Klimaschutz, die durch die Klimabewegung aktuell eine neue Dynamik erfährt, ändert an der zurückhaltenden Reaktion der mittelständischen Unternehmen wenig. Lediglich für jeden zehnten ist die Diskussion handlungsauslösend. Rund 40 Prozent der Unternehmen geben an, dass die Debatte Aufmerksamkeit für Nachhaltigkeitsthemen geschaffen oder zumindest das Problembewusstsein im eigenen Unternehmen verstärkt hat. Gleichzeitig zeigt sich jedoch fast die Hälfte der insgesamt befragten Unternehmen völlig unbeeindruckt von der Klimadiskussion und beobachtet keinerlei Effekt.
Die repräsentative Umfrage unter 700 Unternehmen mit Sitz in Deutschland und einem Jahresumsatz zwischen 250.000 Euro und 125 Millionen Euro wurde im Zeitraum vom 21. August bis 23. September 2019 von Kantar Media im Auftrag der DZ BANK in computergestützten Telefoninterviews durchgeführt.