Schwerpunktthemen
Nachhaltigkeit
2020
17.06.2020

Nachhaltigkeit ist Teil der unternehmerischen DNA

Gastbeitrag der Co-CEOs der DZ BANK Uwe Fröhlich und Cornelius Riese in der Börsen-Zeitung vom 17. Juni 2020

Gleichzeitig herausfordernde Gestaltungsaufgabe für die Zukunft - Genossenschaftlicher Bankensektor steht für unternehmerisch sinnvolle Nachhaltigkeit

Europa meint es ernst mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Mit dem Green Deal hat die EU-Kommission das Ziel ausgegeben, Europa bis 2050 zum klimaneutralen Kontinent zu machen. Auf diesem Weg soll unter dem Strich 1 Bill. Euro für den Wandel hin zu einer ressourceneffizienten Wirtschaft mobilisiert werden. Auch für die Konjunkturprogramme, die gegenwärtig zur Abfederung der Corona-Pandemie in der Diskussion sind, wird verstärkt eine ökologisch ausgestaltete Allokation der Mittel gefordert. Als Unterzeichner der entsprechenden Erklärung der "Stiftung 2 Grad" tragen wir diese Forderung an der Seite vieler anderer Unternehmen der deutschen Wirtschaft mit. Für die DZ BANK Gruppe ist das wirtschaftliche Handeln mehr denn je durch den Anspruch der Nachhaltigkeit geprägt.

v.l.n.r.: Uwe Fröhlich und Dr. Cornelius Riese, Co-Vorstandsvorsitzende der DZ BANK AG

Für die Wirksamkeit des Wandels unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems hin zu mehr Nachhaltigkeit spielt die Finanzindustrie eine zentrale Rolle. Das kommt unter anderem im EU Action Plan on Sustainable Finance zum Ausdruck, der diese Verantwortung der Finanzbranche in Form neuer Anforderungen formuliert, aber auch neue Geschäftschancen eröffnet.

Den Wandel ernst nehmen

Als Vertreter der genossenschaftlichen Organisation nehmen wir diesen Wandel sehr ernst. Zugleich nähern wir uns diesen Aufgaben mit einem gesunden Selbstvertrauen. Unternehmerische Eigenverantwortung ist bei Genossenschaftsbanken seit jeher ebenso verankert wie die Verantwortung für die Gemeinschaft. Schließlich sind die meisten Kunden einer Genossenschaftsbank zugleich deren Mitglieder. Der Anspruch, nachhaltig zu wirtschaften, ist damit Teil unserer DNA.

Dabei folgen wir der Überzeugung, dass uns die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten hilft, sowohl Risiken zielführender zu steuern als auch Chancen zu ergreifen. Wir wollen mit unserem Handeln einen Unterschied machen. Das reflektieren auch die von den Vereinten Nationen (UN) initiierten und von uns unterzeichneten Principles for Responsible Banking, die von uns verlangen, dass wir die Wirkungen unseres Tuns an den Entwicklungszielen der UN messen.

Im Rahmen des Risikomanagements beschäftigt sich die DZ BANK beispielsweise seit vielen Jahren damit, wie Risiken in den klassischen Nachhaltigkeitsdimensionen "Environment", "Social" und "Governance" (ESG) analysiert und gesteuert werden können. Hierbei stehen das klassische Kreditgeschäft und Projektfinanzierungen im Vordergrund. Als Kreditgeber prüft die Bank Kreditanfragen systematisch auf eine Vielzahl unterschiedlicher Nachhaltigkeitsaspekte. Die umfassenden Vorgaben zur Nachhaltigkeitsprüfung sind in der Kreditrisikostrategie der Bank formuliert und stellen so die notwendige Verbindlichkeit sicher. Die Genossenschaftsbanken unterstützen wir als Dienstleister mit einem Nachhaltigkeitsscreening ihrer Eigenanlagen.

"Grüne" Kredite

Wie Banken mit nachhaltigen Finanzdienstleistungen Chancen nutzen und zugleich die entsprechende Weiterentwicklung der Wirtschaft unterstützen, sehen wir beispielsweise bei Finanzierungen von Energieeffizienz-Vorhaben. So sind etwa Projektfinanzierungen im Bereich erneuerbare Energien ein Wachstumsfeld, das wir gemeinsam mit den Genossenschaftsbanken bearbeiten. Mit einem Finanzierungsvolumen von über 5 Mrd. Euro ist die DZ BANK einer der wichtigsten Kreditgeber in diesem Segment. Und nicht zuletzt steht der Ausreichung von "grünen" Krediten seit dem Jahr 2018 auf der Refinanzierungsseite auch der erste Green Bond der DZ BANK gegenüber.

Unsere Aufstellung als nachhaltig agierende Bank ist im Dialog mit unseren Kunden und Eigentümern mittlerweile ein zentrales Thema. Gerade als genossenschaftliches Spitzeninstitut pflegen wir einen intensiven Austausch mit vielen Genossenschaftsbanken mit besonderem strategischem Fokus auf Nachhaltigkeit. Auch deswegen haben wir uns sehr frühzeitig mit ESG-Themen auseinandergesetzt, die heute für viele institutionelle Kunden und Firmenkunden mit ausschlaggebend sind für geschäftliche Entscheidungen - teils gleichberechtigt mit ökonomischen Aspekten.

Glaubwürdige Partner wählen

Beispielhaft sehen wir dies im Primärmarktgeschäft mit nachhaltigen Anleihen. Wer in diesem Markt als Emittent auftritt, achtet bei der Auswahl des Bankenkonsortiums darauf, Partner mit einem glaubwürdigen Nachhaltigkeitsprofil zu wählen. Umso mehr haben wir das Potenzial, unsere starke Position als eine der europaweit führenden Banken in der Begleitung von Nachhaltigkeitsanleihen weiter auszubauen.

Auf der Kapitalanlageseite ist die Union Investment einer der Vorreiter. Als Marktführer bei nachhaltigen Investments verwaltet sie ca. 50 Mrd. Euro für ihre privaten und institutionellen Kunden in ausgewiesen nachhaltigen Fonds und Mandaten. Hervorzuheben ist dabei das Engagement der Union Investment als aktiver Aktionär. So setzt sie sich in dieser Rolle für die nachhaltige Transformation im Unternehmenssektor ein - vom Umweltschutz bis hin zum Vergütungsmodell für das Management.

Immobilienmarkt im Fokus

Ein oft unterschätztes Feld in Nachhaltigkeits- und Klimafragen ist der Immobilienmarkt. Dabei stehen Immobilien in Deutschland für ein Drittel des CO2-Ausstoßes. Umso wichtiger ist es, bei Neubauten auf Energieeffizienz-Standards zu achten und die energetische Sanierung von Altbauten voranzutreiben. Mit der Bausparkasse Schwäbisch Hall und der DZ Hyp haben wir in der DZ BANK Gruppe zwei in ihren Märkten führende Unternehmen, die Effizienzsteigerungen im Immobiliensektor fördern und finanzieren.

Starkes Nachhaltigkeitsprofil

Die DZ BANK Gruppe verfügt über ein starkes Nachhaltigkeitsprofil. Die sehr guten Ratings durch die auf Nachhaltigkeit spezialisierten Ratingagenturen sind ein Beleg dafür. Die vielfältigen Aufsatzpunkte für Nachhaltigkeitsfragen innerhalb unserer Organisation zeigen zugleich, dass wir in Zukunft noch mehr Augenmerk auf die Koordination richten müssen. Zweifelsfrei liegt in jedem Geschäftsfeld der DZ BANK Gruppe eine wesentliche Verantwortung für das Nachhaltigkeitsprofil des gesamten Instituts. Eine zentrale Aufgabe besteht darin, das Nachhaltigkeitsmanagement strategisch zu denken und in ein schlüssiges unternehmensweites Zusammenspiel zu bringen - in einer klugen Kombination aus zentraler und dezentraler Verantwortung.

Wir haben in der DZ BANK daher das Nachhaltigkeitsmanagement in der Strategiefunktion integriert. Derzeit stehen insbesondere die konzernweite Inventarisierung aller Aktivitäten mit Nachhaltigkeitsbezug sowie eine bestmöglich einheitliche Nachhaltigkeitsklassifizierung auf der Agenda.

Eine integrierte Sicht auf ESG-Themen ist zudem von Bedeutung, da Politik und Regulatoren künftig weitere Anforderungen, etwa an Konzern-Risikomanagement und -Reporting, formulieren werden. Das heißt, dass wir beispielsweise künftig quantitative Portfolio-Auswertungen ausweisen müssen - zum Beispiel hinsichtlich der Konformität mit der EU-Taxonomie. Die Empfehlungen der Task Force on Climate-Related Financial Disclosure geben darauf einen Vorgeschmack. Zugleich werden - in Ergänzung zu den heute noch dominanten Klimafragen - perspektivisch die Dimensionen "Soziales" und "Governance" stärker in den Fokus der Nachhaltigkeitsdebatte rücken.

Beachtenswerte Aspekte

Auch aus der Erfahrung der gerade abgeschlossenen Dekade rund um Risiko-, Kapital- und Liquiditätsregulatorik in Banken plädieren wir für ein ausgewogenes Vorgehen zu Beginn dieses sicherlich herausfordernden Weges. Fünf Punkte sind hier wichtig: Erstens müssen möglichst einheitliche Standards und Definitionen als Grundlage für die Regelungen gefunden werden. Ansonsten drohen Widersprüche und Regulierungsarbitrage. Zweitens brauchen wir Marktlösungen und keine Verbote. Die kontroverse Diskussion um die EU-Taxonomie, zum Beispiel zum Thema Kernenergie, macht deutlich, dass Schwarz-Weiß-Ansätze nicht sinnvoll sind. Wirksame Selbstregulierung wie die Principles for Responsible Banking oder die Green Bond Principles ist anzuerkennen.

Langfristige Angelegenheit

Drittens muss klar sein, dass Nachhaltigkeit eine langfristige Angelegenheit ist. Daher sind ausreichende Übergangs- und Beobachtungszeiträume die Grundlage für einen gelingenden Übergang. Viertens muss dem Finanzsektor eine Rolle als Berater - und nicht als Erzieher - für seine Kunden zuerkannt werden. Immer komplexere Beratungsprotokolle sollte man vermeiden. Fünftens sind die etablierten Mechanismen der Bankenregulierung im Kontext der Nachhaltigkeit nicht unbedingt nützlich. Detaillierte Datenhaushalte über mittelständische Kunden, Stresstests und andere aus der Bankenaufsicht bekannte Instrumente können nicht einfach auf ESG-Themen übertragen werden.

Ohnehin sehen wir schon seit Jahren eine erfreuliche Dynamik bei nachhaltigen Finanzdienstleistun-gen. Die Arbeit daran ist immer umfassender und systematischer geworden. Diese Entwicklung ist durch Kundeninteresse und Eigeninteresse der Institute gleichermaßen getrieben. Gerade der genossenschaftliche Bankensektor steht dafür, dass Nachhaltigkeit unternehmerisch sinnvoll ist. Dieses Verständnis wird uns auch künftig leiten.